Weiter geht es mit meinem Bericht zum Bikepacking Adventure Sweet16, die vorherigen Teile kann man hier lesen:

Tag 7: Münster – Teutoburger Wald – Bielefeld – Arminius – Minden

255,9 km / 3.159 hm

Der Wecker klingelt um 05:45 Uhr, mein Zug soll Münster um 06:15 Uhr verlassen. Also angezogen, das Rad hatte ich schon am Vorabend gepackt und rüber zum Bahnhof. Kurzer Blick aufs Smartphone, eine Benachrichtigung von der Deutschen Bahn in der App, “Ihr Zug fällt aus”. Aber die Nachricht ist nicht ganz eindeutig, ab wo der Zug ausfällt. Ich bin noch guter Dinge, auf dem Bahnsteig angekommen, der Zug wird an der Anzeige noch angezeigt. Also zurück zum Bäcker und erst mal Kaffee und Frühstück besorgt. Aber dann kommt bereits die Durchsage, dass mein IC doch ausfällt, Mist. Dann nochmal die Benachrichtigung in der App genauer studiert, auch das ganze Kleingedruckte, ich hätte einen RE um 05:49 nehmen sollen, um den IC in Köln noch zu erwischen, er wurde heute einfach später eingesetzt. Ja klar Deutsche Bahn, ihr schickt die Benachrichtigung, dass der Zug ausfällt zum gleichen Zeitpunkt wie die Alternative abfährt. Wie soll das funktionieren?

Auf dem Bahnsteig steht noch eine jugendliche Reisegruppe aus Holland, die auch mit Fahrrädern unterwegs sind. Wir besprechen kurz unsere Alternativen. Dann wird erscheint plötzlich ein Ersatz-IC auf der Anzeige, der Münster in 30 Minuten verlässt. Mein einziger Gedanke, hoffentlich ist das Fahrradabteil leer. Der Zug rollt ein, das Fahrradabteil ist vollkommen leer, ist ja auch noch früh am Morgen. Die Holländer und ich alle rein, wir rollen los, ich bin guter Dinge, Münster nur mit geringer Verspätung zu erreichen, erstmal frühstücken.

Irgendwann kommt der Schaffner vorbei, ich hätte keine Fahrradreservierung für diesen Zug und ab Köln sind alle Plätze reserviert. Wir diskutieren etwas, nicht mein Verschulden, Vorschriften etc. Er bleibt hartnäckig, und nennt mir eine RE Verbindung ab Köln-Deutz nach Münster. Die Idee, das Fahrrad in ein Gepäckstück umzubauen, kommt mir leider erst später. Also wechsele ich in Köln-Deutz mit ein paar anderen Radreisenden auf den RE 🙁 Mit zwei Stunden Verspätung komme ich in Münster an. Radreisen mit der Deutschen Bahn in reservierungspflichtigen Fernzügen bleibt weiterhin ein Abenteuer, solange die Züge pünktlich sind, funktioniert es, aber Wehe es kommt etwas dazwischen, dann hat der Kunde immer das Nachsehen.

In Münster angekommen rolle ich direkt zum Fahrradladen Velodrom. Er schaut sich mein Rad misstrauisch an, murmelt etwas von “bunt zusammengewürfelt / nicht Original”. Ja und? Mit diesem Setup bin ich schon fast 20.000 km ohne Probleme gefahren, unter anderem 2x Transcimbrica, 600er Brevet zum Brocken, Festive500 InOneGo nach Skagen. Das passende Ersatz-Tretlager hätte er nicht auf Lager, aber er kann die Kurbel nachziehen. Er holt den große Ratsche mit Innensechskant und legt sich ins Zeug, Kurbel und Rahmen ächzen unter dem Druck. Eine kleine Probefahrt, das Knacken ist weg, ich bedanke mich und rolle Richtung Track. Aber irgendwie dreht die Kurbel jetzt schwergängiger, ich halte nochmal an und drehe mit der Hand die Kurbel, ja sie dreht jetzt schon ein wenig schwerer. Ich rolle aber zunächst weiter an der Weser entlang aus Münster heraus in der Hoffnung, dass sich das wieder gibt.

An der Weser hinaus aus Münster

Kurz vor Tecklenburg erreiche ich den Teutoburger Wald, hier sehe ich zwei dicht aneinander stehende Baumstümpfe neben dem Weg. Darauf lässt sich das Rad gut auf die Seite legen und trotzdem kann man die Kurbel drehen, von beiden Seiten lasse ich bei rotierender Kurbel Kettenöl ins Tretlager laufen. Nun ist die Kurbel wieder leichtgängig, das Problem wäre damit auch gelöst und bis Berlin wird das Knacken nicht wieder kommen 🙂 Vielen Dank Velodrom.

Ab jetzt geht es auf und ab durch den Teutoburger Wald, in Bad Iburg lege ich den ersten Stopp ein, das Cafe am Charlottensee sieht sehr einladend aus und ich gönne mir das erste Bier (alkoholfrei) für heute. Im lokalen Fahrradladen besorge ich mir noch einen Ersatzschlauch, seit dem Durchschlag war ich ohne Ersatz unterwegs, da sich dieser nicht mehr flicken ließ.

Es geht weiter durch den Teutoburger Wald, in Bielefeld steht nochmal der obligatorische Bier-/Eis-Tankstellenstopp an und ich komme hier mit einem Motorradfahrer ins Gespräch. Er ist auf ähnlicher Route aus dem Süden wie ich unterwegs, aber für heute will er Schluss machen, da ihm sein Hintern weh tut. Zum Hermannsdenkmal, das bei mir noch heute auf dem Programm steht, will er erst morgen ansteuern.

Das Hermannsdenkmal / Arminius erreiche ich am frühen Abend, es kommen Kindheitserinnerungen hoch, hier war ich in den 70er/80er oft mit meinem Opa, nachdem sie als Rentner Berlin (West) verlassen hatten und in eine Wohnung in Bad Meinberg gezogen waren. Am Fuße des Hermannsdenkmals entdecke ich im Ort Hiddesen einen kleinen Biergarten, wo auch viele Einheimische ihr Feierabendbier trinken. Nach einem großen Salat, einer kleinen Pizza und zwei Bier starte ich die letzte Etappe für diesen Tag, es bleibt weiter hügelig.

Im Biergarten in Hiddesen

Im Mondschein kann ich schon das Wiehener Gebirge in der Ferne sehen, das werden die letzten wirklichen Höhenmeter auf dieser Tour. Auf breiten Schotterwegen geht es im Lichtkegel der Supernova hindurch bis das Ende an der Porta Westfalica erreicht wird.

In Minden steuere ich nochmal eine 24h-Tankstelle an und weiter geht es wieder entlang der Weser. Müdigkeit macht sich bemerkbar, es ist mittlerweile auch schon 3 Uhr, eine kleine Hütte kommt in Sicht, das reicht für heute.

Tag 8: Nienburg – Bremen – Bremerhaven – Cuxhaven

311 km / 668 hm

Die Nacht ist nur kurz, irgendwie konnte ich in dieser Hütte nicht so gut schlafen, wahrscheinlich war die Bank zu schmal. Ich packe gerade meine Sachen zusammen, da fällt mir auf, dass der Vorderreifen keine Luft mehr hat. Ich pumpe ihn zunächst wieder auf, da ich mir das auch nicht erklären kann. Den ganzen Tag über wird der Druck nicht nachlassen, war da nachts jemand an meinem Rad gewesen? Die Frage bleibt wohl unbeantwortet.

Heute wird es nur noch flach dahin gehen, aber die Temperaturen sollen auch wieder über 30° Grad klettern, Schatten spendende Wälder sind wohl nicht zu erwarten. Aber es ist selten, dass man sich über leichten Gegenwind freut, heute macht der Seewind aus NO die heißen Temperaturen einigermaßen erträglich.

In Stolzenau kehre ich zum Frühstück ein, und komme mit einem anderen Bikepacker ins Gespräch. Die Weser begleitet mich wieder den ganzen Tag, viele Menschen nutzen die Ufer zur Abkühlung, es ist ja auch schon wieder Wochenende. Das möchte ich heute auch noch machen und halte Ausschau nach einer passenden Stelle. Am Werdersee, einem Nebenarm der Weser, rolle ich vom Deich direkt an eine kleine Öffnung im Schilf. Der Zugang ist zwar etwas steinig, aber die Erfrischung tut gut. Mit nassen Bibs und Trikot hält die Kühlung auch noch für eine halbe Stunde, bevor der Fahrtwind-Fön alles wieder getrocknet hat.

Abkühlung im Werdersee

Ich habe Bremen schon fast durchquert, als ich wieder Lust auf ein Eis verspüre. Ich habe aber schon die Hafenanlagen erreicht, hier gibt es nicht mehr viel. An der Brücke über den Ochtum steht dann aber plötzlich ein kleiner italienischer Eiswagen. Er hat zwar nur sechs Sorten, diese sind aber umso leckerer, ich gönne mir gleich drei Kugeln. In der Nähe stehen mehrere kleine Gruppen von E-Bikern, die über ihre Räder philosophieren. Mir ist schon die letzten Tage aufgefallen, dass man hier in den ländlichen Regionen im Gegensatz zu Berlin eigentlich nur drei Gruppen von Radfahrern trifft: selten mal ein oder zwei Bikepacker, kleinere Gruppen von Rennradlern, aber den größten Teil machen E-Biker aus, und das sind nicht nur Senioren.

Ice cream & E-Bikes

In Lemwerder halte ich kurz für ein kleines Mittagessen, bei der Wärme nehme ich aber nur eine Portion Pommes. Ich überlege schon den ganzen Tag, wegen der Wärme das Radfahren mehr in die Nachtstunden zu verlagern und tagsüber ein paar Stunden zu schlafen. Aber der Blick auf die Fährzeiten rüber nach Bremerhaven zeigt mir, dass das heute nichts wird, die letzte Fähre am Samstag fährt bereits am späten Nachmittag, also weiter.

Ich erreiche Nordenham gegen 17:30 Uhr und rolle gleich zur Fähre. Auf der Fähre komme ich mit anderen Bikepackern ins Gespräch, einer Familie mit schwer bepackten Rädern und zwei Kindern (~8-12 Jahre alt), die vor zwei Wochen in Fulda gestartet sind und jeden Tag um die 60 km zurück gelegt haben, Chapeau! Es gibt sie noch, die normalen Leute, die auch ohne Auto Urlaub machen können. Zwei anderen jungen Männern gefällt mein Rad und meine Ausrüstung, vor allen die einheitlichen Apidura Taschen. Ob ich das Rad zur Rahmentasche gekauft hätte? Die passt ja perfekt in den Rahmen 🙂

In Bremerhaven gibt es noch einen kurzen Tankstellenstopp bevor es durch die Auto-Verlade-Terminals und ihren Spezialschiffen geht. Der Wind weht immer noch von vorne, hinter dem Deich gibt es nicht viel Schutz, die 45 km bis Cuxhaven ziehen sich ganz schön, die 25 steht jetzt eher selten auf dem Tacho.

Aber kurz vor Sonnenuntergang erreiche ich dann den nächsten Checkpoint, die Kugelbaake vor Cuxhaven, der Blick übers Meer entschädigt den Gegenwind der letzten Stunden. An einer Tankstelle in Cuxhaven hole ich mir noch meinen Abendproviant und komme mit dem Tankwart ins Gespräch. Es geht von Bier und Sport über Doping zu Wettkämpfen, und ob ich schon mal was gewonnen hätte. Ich zeige auf mein Trikot von der Elbspitze und erzähle ihm davon. Er wünscht mir das Beste und eine gute Fahrt.

Beim Blick auf den Track male ich mir schon einen Schlafplatz am Wasser mit Blick auf die Nordsee und Wellenrauschen aus. Daraus wird aber nichts, die Route führt nur über Deiche, die alle von Schafen bevölkert sind. Viele Schafe haben sich schon zur Ruhe gelegt, teilweise direkt auf dem Asphalt, im Schein meines Frontlichts geht es im Slalom um die Schafe herum. Zum Schluss wechseln die Schafe dann noch zu Kühen, die sich in einer Gruppe direkt vor dem letzten Gatter versammelt haben. Ich steige ab, schiebe mein Rad durch die Kühe und die Kuh, die direkt vor dem Gatter steht, geht nach einer kleinen Denkpause auch gemächlich aus dem Weg. Danke, dass du mich auch wieder hinaus lässt.

Ich setzte meine Stirnlampe auf und halte Ausschau nach einem Platz für die Nacht, es kommt aber nichts brauchbares. Ein Blick in OsmAnd zeigt aber einen Unterstand bei Neuhaus an der Oste an, der direkt auf dem Track liegt. Den nehme ich für heute, wenn auch ohne Wellenrauschen.

Tag 9: Hamburg – Lübeck – Travemünde – Kolonnenweg

313 km / 1.135 hm

Ich sitze schon vor 6 Uhr wieder auf dem Rad, nach einigen Kilometern kommt die erste Zugbrücke über die Oste in Sicht. Das Schild verrät, dass die Brücke nur an zwei Stunden zu Mittag am Tag unten ist, solange kann ich nicht warten, also wieder zurück zum Unterstand und umfahren. Es folgt eine ewig gerade Straße durch die Marschen, Höhenmeter gibt es hier nicht, auf den ersten 30 km heute werden sich ganze 30 hm summieren.

durch die Marschen

Es ist Sonntag, in Freiburg halte ich vergebens Ausschau nach einem Bäcker. Aber in Wischhafen gibt es das heutige Frühstück. Es folgen industrielle Sehenswürdigkeiten wie das stillgelegte Kernkraftwerk Stade oder Airbus in Finkenwerder.

Von Finkenwerder geht es mit der Fähre hinüber zu den Landungsbrücken. Hamburg ist erreicht und am Jungfernstieg auch der nächste Checkpoint. Ich versuche, den nächsten Track auf dem Wahoo zu aktivieren. Komisch, der ist ja gar nicht drauf, auch nicht in der App, dabei hatte ich doch alle Tracks in Berlin von Komoot importiert. Also in die Komoot App, hier ist der Track vorhanden, lässt sich aber nicht in die Wahoo App importieren, es kommt immer die Fehlermeldung “Fehler beim Import”. Ist die GPX Datei etwa kaputt? Ich versuche verschiedene Optionen, Kopie in Komoot anlegen, Track in Komoot leicht verändern, hilft alles nichts, immer wieder “Fehler beim Import”. Ich überlege schon, Mark anzurufen. Dann versuche ich einen anderen Track in die Wahoo App zu importieren, die selbe Fehlermeldung. Ach so, es liegt also gar nicht an dem Track. Vielleicht hat die Wahoo App ja eine maximale Anzahl an Tracks, die man importieren kann. Also in Komoot die bisherigen Sweet16 Routen gelöscht und siehe da, der Import funktioniert plötzlich. Da müsst ihr an euren Fehlermeldungen aber noch arbeiten, Wahoo!

Ganz Hamburg scheint heute an und auf der Alster zu sein, die Straßen sind ziemlich leer, dafür Massen von SUPs auf der Alster, man könnte fast trockenen Fußes hinüber laufen. Einen kurzen Stopp gibts es nochmal an der Tanke in Kayhude. Ansonsten nichts Spektakuläres auf dem Weg nach Lübeck, nur es ist immernoch verdammt heiß. In Lübeck führt der Track direkt durch den Zollhafen, ich bin etwas misstrauisch, ein Hafenarbeiter an der Schranke für die LKWs weißt mich darauf hin, dass es hier nicht durch geht. Ein kurzes nettes Gespräch, also außen herum.

Gravel & Road = Groad

Die Steilküste bei Brodten ist der nächste Checkpoint. Es wird wieder voller, an der Steilküste und auf dem Weg nach und den Stränden von Travemünde sind viele Leute unterwegs. Mit der Fähre geht es über die Trave hinüber zum Priwall, die Passat liegt immer noch hier, wie früher. Ansonsten hat sich hier aber viel verändert, ich kennen den Priwall noch gut aus den Zeiten der Travemünder Woche in den 90er, auch eine Deutsche und eine Weltmeisterschaft im Segeln hatte ich hier bestritten (Europe & Flying Dutchman). Die ganzen Gebäude längs der Hafenanlagen gab es hier früher nicht, alles gesäumt von vielen Edel-Restaurants. Ob ich hier was finde, um meinen Hunger zu stillen, ich glaube nicht. Ich erinnere mich an einen Imbiss an der Straße zur Autofähre, mal sehen ob es den noch gibt. Es gibt ihn 🙂 Currywurst mit Pommes, ein großer Salat und Bier, genau das was ich brauche.

Nach der Stärkung geht es direkt hinüber nach Mecklenburg-Vorpommern, der Track folgt nun teilweise wieder dem Kolonnenweg der DDR-Grenztruppen. An der Tankstelle in Schönberg besorge ich mir noch meinen Abendproviant und genieße den Sonnenuntergang, Tankstellen-Romantik as its best.

Auf den Kolonnenwegen geht es weiter bis Zarrentin, OsmAnd zeigt keinen Unterstand auf den nächsten 50 km an, ich setze die Stirnlampe auf und halte Ausschau nach einem Schlafplatz für die Nacht. Kurz vor Gudow an der A24 sehe ich plötzlich einen Tisch mit drei Baumstümpfen im Wald, ich bin zunächst skeptisch wegen dem permanenten Rauschen von der Autobahn. Aber letztendlich habe ich hier am besten geschlafen.

Im vierten und letzten Teil berichte ich über die Schlussetappe nach Berlin, meine Ausrüstung und allgemeine Gedanken & Tipps zum Bikepacking über 3.000 km.

One response

  1. mega Tour und schön beschrieben! Das mit dem Verlegen der Tour in die kühleren Nachtstunden überlege ich mir auch manchmal, aber irgednwie fühlt es sich falsch an, wenn man tagsüber zu lange Pause macht; oder?! 😀
    Lg aus Wien 😉

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